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Bonner Stadtgeschichten

Leseprobe
Artikel-Nr.: 978-3-98223-082-5
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Beschreibung

In Bonn lässt es sich gut leben – und das seit 2000 Jahren. Zwar ist die Stadt nie aus eigenem Antrieb über sich hinausgewachsen. Dafür hat sie von einzigartigen Gaben profitiert. Und hält für aufmerksame Beobachter noch immer manches Geheimnis parat Über Bonn wurde schon mehr geschrieben, als der Stadt eigentlich lieb sein kann. „Eine Stadt, die verlassen scheint, immer trist, immer ruhig wie ein Friedhof", notierte der sizilianische Dramatiker Luigi Pirandello, nachdem er im März 1891 an der Philosophischen Fakultät promoviert wurde. Die Stadt ehrte ihn dafür mit einer Straße in Lengsdorf.

„Man findet nichts merkwürdiges allhier, obgleich der Churfürst hier seinen Hof hält, dessen Palast auch sehr mittelmäßig ist", ätzte im 18. Jahrhundert der ehemalige Gesandtschaftssekretär der Generalstaaten der vereinigten Niederlande am Spanischen Hof, J. de Blainville. Dem Vernehmen nach war er auf dem Weg zum Palast in einen Hundehaufen getreten und entsprechend schlecht gelaunt. Der karrieretechnisch nicht sonderlich erfolgreiche Diplomat Herbert von Nostiz sah in Bonn in den 1960er-Jahren schlicht „ein Verkehrshindernis auf dem Weg zu den Ministerien". Und der miesepetrige Friedrich Nietzsche klagte über eine „durchaus ungesellige Stadt".

Komisch nur, dass bei all dem Spott immer wieder Menschen gerne nach Bonn gekommen sind. Auch in den kommenden Jahrzehnten soll die Stadt nochmals kräftig wachsen. In Wahrheit steckt wohl auch ein Quentchen Neid dahinter. Bonn hat sich nie wie Köln oder Bremen aus dem Dunstkreis der Mächtigen emanzipiert und ist Freie Reichsstadt geworden. Für eine regionale Metropole wie Hamburg oder München hat es im Schatten des mächtigen Köln nie gereicht. Dafür aber haben sieben Köstlichkeiten den Bonnern im Lauf von 2000 Jahren das Leben gehörig versüßt. Da ist zunächst der Rhein, der nicht nur fruchtbaren Boden in die Kölner Börde gespült hat und als natürliche Verkehrsader taugt, sondern auch gleich südlich von Bonn mit dem Godesberg und dem Siebengebirge besonders romantisch wird. Das lockt seit Jahrhunderten Touristen in die Stadt und Leute, die die Mühen der Ebene im Leben hinter sich haben.

Auch die Römer kommen unter Drusus und bauen ihr größtes befestigtes Kastell überhaupt gegenüber der Siegmündung. Als ihr Weltreich endet, bleibt immerhin ein geheimnisvolles Gräberfeld zurück. Die Franken bauen darauf eine wirkmächtige Legende auf mit entsprechendem Pilgerverkehr. Das Cassiusstift hütet diesen Schatz und kommt damit zu erheblichem Wohlstand. Es ist der Kumulus der heutigen Stadt. Im Mittelalter sind es dann Kölns Patrizier, die zwar einen Dom wollen, aber keinen einflussreichen Bischof. Siegfried von Westerburg wählt stattdessen das beschauliche Bonn. Die anspruchsvolle Hofhaltung der Kurfürsten bringt der

Stadt in den folgenden Jahrhunderten eine enorme wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Im 19. Jahrhundert ist es dann der preußische König, der dem fürstenlos darbenden Bonn nach kurzer Zeit die Universität für die preußischen Rheinlande in den Schoß legt. Eine Investition, die sich mit der Exzellenzuniversität und 35000 Studierenden aus vieler Herren Ländern für die Stadt noch nach 200 Jahren kräftig auszahlt.

1945 landen Konrad Adenauer und Hermann Wandersleb ihren Coup mit der zunächst provisorischen Hauptstadt. Und als diese Karte 1990 ausgespielt ist, bedankt sich die Bundesregierung mit einem Abschiedsgeschenk für die „superjeile Zick" am Rhein, indem sie die privatisierte Bundespost und die Telekom hier zurücklässt – schon bald die beiden größten Arbeitgeber der Stadt. Überdies beziehen die Vereinten Nationen mit etwas finanzieller Nachhilfe die leer stehenden Büros der Abgeordneten. Bonn wird UNStadt und Zentrale der Weltklimarettung.

Die unselige Diskussion um die Zukunft des Bonner Stadtmuseums entlarvt drei Jahrzehnte nach dessen Gründung allerdings eine traurige Geschichtsvergessenheit. So entsteht 2020 die Idee zu einer Expedition in die Stadtgeschichte zusammen mit dem General-Anzeiger. Kollegen im Stadtarchiv, im Stadtmuseum und beim LVR helfen bei der Recherche. Es gilt, episodenhaft und in groben Strichen zu erzählen, welche Ereignisse Bonn und das Leben in der Stadt geprägt und verändert haben. Dabei kommen auch überraschende Funde zutage. Manche liegen im Grunde seit Ewigkeiten vor uns, ohne aufzufallen. So wie der Elefant. Sie können ihn entdecken, wenn Sie das Kapitel zur Residenzstadtzeit auf Seite 48 aufschlagen. Vom Rhein aus betrachtet, hat das ummauerte Bonn tatsächlich die Konturen eines Elefanten.

Der Stadtgraben links ist der Rüssel. Rathausgasse und Sternstraße formen das Ohr. Der kürfürstliche Palast ist das Auge. Wenn man den Dickhäuter einmal sieht, ist er unverkennbar. Aber er tritt erst hervor, als unsere Grafikerin Ulrike Heinichen den Mauerumriss aus dem historischen Stich freigestellt hat. So bleibt Bonn voller Stadtgeschichten. Einige davon versammelt ohne Anspruch auf Vollständigkeit dieses Buch zu einer hoffentlich vergnüglichen Lektüre. Käme sie nicht erst jetzt, sei sie auch Luigi Pirandello, Friedrich Nietzsche und all den anderen Nörglern wärmstens empfohlen.

Von Dr. Martin Wein
165 Seiten
Format (300 × 215 mm)
gebunden, Hardcover
ISBN 978-3-98223-082-5